2017 – Debora Kim + Solveigh Krüger

2017 – Debora Kim + Solveigh Krüger
Hülle und Fülle – Textile Objekte

03.09.2017 – 22.10.2017
Einführung: Rebekka Schulte, Soest

Solveigh Krüger ist in Lippstadt geboren und studierte bis 2013 an der Kunstakademie Münster in der Meisterklasse bei Prof. Lili Fischer. Neben Performances, Zeichnungen und Objektkunst schuf sie eindrucksvolle große textile Skulpturen, die sie auch in der Ausstellung des Kunstvereins Lippstadt zeigen wird. Bewegung, Aktion, Licht und emotionale und körperliche Wirkungen werden zu unmittelbaren Bestandteilen dieser Arbeiten.

Debora Kim stammt aus Südkorea und studierte an der Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig, wo sie noch heute lebt. Sie hatte mehrere Stipendien und Ausstellungen. Mit farbigem Garn umwickelt sie flache geometrische Körper und schafft auf diese Weise sehr farbintensive, zugleich heitere und strenge Werke zwischen Bild und Objekt.

Die Ausstellung präsentiert zwei wichtige Positionen im Bereich textiler Objekte und Installationen. Es sind ungewöhnliche Werke, die über die traditionelle Kunst weit hinausgehen und unmittelbaren sinnlichen Ausdruck erzeugen.

Eine großformatige Broschüre dokumentiert die Ausstellung und enthält einen Text von Erich Franz. 


Rebekka Schulte

Zur Ausstellung von Debora Kim und Solveigh Krüger

Haben Sie sich heute Morgen schon einen zurecht gesponnen? Oder gedacht Ihr Gegenüber ist recht einfach gestrickt? Waren Sie vielleicht online und haben an ihrem sozialen Netzwerk gewoben?
Eine Ausstellung mit Frauenkram…gut so! Dem Mythos nach liegt der Ursprung menschlicher Schöpferkraft in der stolzen Webkunst der Arachne, die ihr Handwerk so gut beherrschte, dass die neidische Göttin Athene sie in eine Spinne verwandelte
(Kunst & Textil, Kunstmuseum Wolfsburg 2014).

Solveigh Krüger

rund und herum und herum und rund, kreuz und quer und quer und kreuz, und so fort und so weiter,und so weiter und so fort, hinein und heraus und heraus und hinein, drin und drum und drum und drin, ruck und zuck und zuck und ruck, rein und raus und raus und rein, rauf und runter und runter und rauf I, II, III, vor und zurück und zurück und vor, auf und ab und ab und auf, hin und her und her und hin, um die Kurve und um die Ecke und um die Ecke und um die Kurve, links und rechts und rechts und links
Jedes ihrer Objekte ist von Dauer. Mühe, Fleiß und Zeit zeigen sich Vielfältig. Haptisch wirkend wurde die Zeit ausgekostet. Liegt so gar nicht im Trend.
Da wurde gestrickt, gehäkelt, gefilzt, gesponnen, geknüpft, gefranst und gewickelt. Liebevoll. Ganz im Tun versunken und im Element. So entstehen Gewirke, Objekte und Geflechte neu.
Der Betrachter kann mit den Augen die Kostbarkeit und die Sinnlichkeit des Materials begreifen und wird in der kollektiven Erinnerung berührt.
Ihre Filzarbeiten ein archaisch anmutender Verweis auf das Ursprüngliche. Sich den Anfängen widmend. Loses Sammeln und verdichten. Das ist Filzen. Von der Wolle am Schaf bis hin zum wärmespendenden, wasserabweisenden Filz. Dazwischen alle notwendigen Arbeitsschritte. Kein hopplahopp. Beuys hat die zugeschriebenen Eigenschaften des Filz sehr eindrücklich und nachvollziehbar in seinen Werken eingesetzt. Ebenso Krüger.
Krügers Materialien sind alt. Pardon: Sie auch, obwohl jung an Jahren.
Schon gewesen. Gefunden. Schon gebraucht oder an anderer Stelle erschienen. In einem anderen Kontext, im klassischen.
Die geschenkte Gardine der Großmutter wird in einen neuen Kontext, als den ursprünglich gemeinten, gesetzt. Eine neue Form, eine neue Geschichte. Umdeutung findet statt. So ist es mit der Erinnerung und dem erinnern. Das ist eine subjektive Geschichte.
Wertschätzung bringt Krüger den alten Materialien und Kulturtechniken entgegen. Den Resten; dem, was noch bleibt und ist und sie scheint es für mehr als einen Moment zu konservieren. Existenzielle Themen des Lebens werden offenbar.
Weiß, und anderes Weiß. Linie. Die mit eigener Dynamik in den Raum wagt. Leere. Leise. Feinsinnig und liebevoll. Was spielt sich denn da drinnen ab? Was ist dahinter? Krügers Arbeiten sind geprägt durch minimale Farbabgrenzung innerhalb von Gleichheit. Weiß und Weiß in Nuancen. Ein leises Durchbrechen. Durchweben. Ein kleiner Widerstand. Ein Widerspruch. Ein Augenmerk auf die Zwischenräume, auf die Struktur. Auf den Schatten, den es wirft.Hier und da, da stimmt doch was nicht. Die bewusst gewählte Vorgehensweise vielleicht eine Ironie auf Rollenzuschreibungen.
Alles Material wird zur neuen Form und wirft die Schatten neu. Das umwickelte Wabengefüge kann morgen schon in der Form eine andere sein; ein uns anders scheinendes Gebilde, es ist flexibel.

Deborah Kims Arbeiten heißen Körper

Kim tritt mit ihren Objekten ein klein wenig und dann doch noch etwas mehr in den Raum, die klassisch zugewiesene Funktion der Leinwand wird aufgelöst. Ein davor und dahinter und ein drumherum wird thematisiert. Die tradierte Malweise aufgegeben. Denken Sie an Lucio Fontana, der mit Schnitten die Leinwand durchdrang, um ein dahinter aufzutun.
Hungrig nach Farbe und weg von der klassischen Malerei wickelt sich Kim um den Körper herum und diese Körperlichkeit ist dem Betrachter nachvollziehbar. Sie expandiert in den Raum, ganz leicht fügt sich das Garn, ohne Widerstand.
Ruhig, konzentriert und kontemplativ, meditativ ist ihr Tun. Präsent ist ihr Werk. Zeremoniell hingebungsvoll umwickelte Körper machen, auch hier, Zeit und Körperlichkeit sichtbar.
So erobern sich Kims Arbeiten den Raum mit ihren festen, selbstgewählten Gesetzmäßigkeiten, die ein paar Varianten zulassen, doch jede Expressivität vermeiden. Die selbstbestimmte Regel leitet das konzeptionelle Tun und schließt Spontanität und subjektive Emotionalität scheinbar aus. Kim entscheidet sich auf eine stark reduzierte Formensprache und gegen jede spontane Geste und betont in ihren Arbeiten die Form und Materialität. Die Technik des Wickelns bleibt in ihren Arbeiten verlässlich gleich. Sich selbst reduzierend lässt sich Kim eben ausschließlich auf Farbe und Form ein.
Erinnern Sie sich an Vertreter der Minimal Art, wie Frank Stella oder Robert Morris, an die Farbigkeit aus dem „de Stijl“. Wohltuende Reduktion jenseits von allem Achtsamkeitshype.
Das Auge begibt sich nun selbst auf die Suche.
Kim wickelt sich leise in den Raum und steht dann da. Stellt sich einem in den Weg. Feine Strukturen in üppiger Farbigkeit entstehen, die mit den Mitteln der Malerei nicht möglich wären. Farbiges Baumwollgarn formal und farbig. Um Ecken und Kanten gewickelt. Faszinierende Lichtbrechungen entstehen an den Kanten. Herrliche hell/dunkel Momente. Flächen im Licht und Schatten.
Und leise humorvoll lehnen sich die Stelen an die Wand. Geben an mancher Stelle ganz zart verletzt den Untergrund frei. Da wachsen Kuben in unregelmäßiger Regelmäßigkeit aus dem Boden, das Werk scheint beweglich. Das gleiche Rot erscheint einem facettenreich mannigfaltig. Linkisch, denn den Stab meint man auch außerhalb des Gebäudes zu wähnen.
Die Weichheit des Garns, diese Eigenschaften stehen im Kontrast zu ihren kühlen klaren Objekten.

Beiden ist inne eine auf die Hände, auf das Tun, konzentrierte Tätigkeit. Wir sehen eine kontrastreiche Ausstellung, die sich im Spannungsfeld zwischen Ordnung und Zufall, Spontanität und gelenkter Hingabe, Sicherheit und Unsicherheit, Unberechenbarkeit und Kontrolle bewegt. In einem Bunt und Unbunt. Wunderbar anzusehen, wie sich emotionale Zurückgenommenheit mit emotionaler Fülle nicht ausschließen….Sehen und erleben Sie selbst!

Rebekka Schulte 2017

Pressespiegel

Bildergalerie

Fotos: Lisa Vicol Günther